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Aufzubrechen setzt auch ankommen voraus

Dom in Aachen, einladend geschmückter Ort der Heiligtumsfahrt. Fotos: Klaus Herzog

Wer über das Wallfahren nachdenkt, sollte sich nicht schon auf dem Weg wissen, denn die Vergewisserung der Orte, an denen das eigene Leben seine Bühne hat, geht allem Aufbruch voraus. Orte haben in herausragender Weise mit unserem Leben und mit deren Qualität zu tun.

An Orten spielt sich unser Leben ab. Der Mensch kann nicht nicht an einem Ort sein. Alles hat seinen Ort. Der Schlaf sein Bett, der Hunger die Küche, der Sport seinen Fußballplatz und so hat jeder Moment unseres Leben seinen eigenen Ort: Badezimmer, Büro, Kino, Konzertsaal, Kneipe, Tante-Emma-Laden und Großmarkt. Kindergarten, Schule, Ausbildungsplatz, Kirche, Disco, Kloster. Wohnhaus, Schrebergarten, Dachgarten und Gartenkolonie. Auto, Wohnwagen, Skaterrampe, Ferienhaus, Straßenecke, Bordell, Werkstatt, Plätze, Baumhaus, Bahnhof, Platte oder nur ein Stuhl vor dem Haus.

Haustür, Leben hat Orte.

Ort an Ort, von einem Ort zum anderen und zurück oder darüber hinaus bedeutet Leben, zumindest was seine Ortsansässigkeiten angeht. An ungezählten Orten passiert unser Leben, mal zufällig, dann gewollt, unumgänglich, mit schwerem Herzen, lustvoll, voller Angst, alltäglich, ausgesucht, geschenkt. Leben ist nur ortskundig zu haben.

Entsprechend bewerten wir diese Orte, als schön, schrecklich, normal, vertraut, romantisch, Anders-Orte, Orte die geheimnisvoll sind, bis hin zu unbeschreiblichen Orten. Der Ortsbezug kann aber auch sehr individuell, persönlich, eben nicht öffentlich sein. Das Baumhaus ist dem einen ein Ort der Freiheit, einem anderen wird da oben schlecht. Orte können eine Geschichte habe, die nur Sie kennen und es gibt Orte, die Sie kennen, intensiver als Ihnen das lieb ist.

Sie sind nun eingeladen: “kommt und ihr werdet sehen”. Komm bedeutet geh weg, wenn auch nur für Stunden. Welche Orte sind Ihre Orte die Sie, der Einladung folgend, “verlassen” würden, diese Orte “an, in, auf” denen Ihr Leben sich abspielt.

Besser wäre es, Sie würden noch ein paar Tage dranhängen, vielleicht sogar einige Wochen. Könnten Sie, wollten Sie so einfach sagen: “Ich bin dann mal weg.” – Geht das? So gefragt, geht es darum, ob Sie an Orten hängen oder ob Sie von Orten abhängig sind.

PILGERGEBET
Ortsangabe vor Gott
Von Ort zu Ort
von mir zu mir
von so zu so
von da zu da.
Gott
Von Ort zu dir
von mir zu dir
von so zu dir
von da zu dir
Und wo bleiben wir,
Du und ich
Gott?

Sind Ihre Orte für Sie Orte der Entfaltung, der Kommunikation, Orte, an denen Sie Sie selbst sein können, sind es Fluchtburgen, Verstecke, Orte des Aufgebens, vielleicht auch irgendwie Orte, die zwischen alle dem liegen oder einfach nur noch Orte der langweiligen Gewohnheit, Grabstätten des Lebens mitten am Leben vorbei, Orte die Sie am liebsten dem Erdboden gleich machen wollten, oder die Sie, wenn Sie es könnten, verlassen würden?

Wallfahrt fängt mit solchen Überlegungen an. Es geht ja schließlich nicht darum, in den verdienten Urlaub zu fahren, um einfach mal abzuschalten von den alltäglichen Orten des Lebens, um dann erholt wieder diese vertrauten Orte unverändert vorfinden zu wollen. Wer wallfahrtet, der setzt den Ort aufs Spiel, von dem er losgegangen ist, in der “Gefahr” ihn anders wieder zu erreichen und ihn, verändernd ortskundig, neu zu verorten.

Wer sich auf den Weg macht, um alles unverändert so vorfinden zu wollen, wie er es verlassen hat, der kann sich den Weg sparen oder besser eine Kur machen, um die alten unveränderlichen Orte besser und robuster auch zukünftig ertragen zu können. Aufbruch setzt das Ankommen voraus.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 15. April 2007, S. 14

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