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Gut schräg drauf

Diese Begegnung hatte sie sehr fasziniert, und das spürten jene, die ihr zuhörten. „Es ist schon etwas her“, begann sie, „als ich in der Münchner Innenstadt unterwegs war. Ich stieg die Stufen neben der Rolltreppe hoch, und während ich – etwas außer Atem – das Ende der Treppe erreichte, spürte ich eine Person nah hinter mir. Gerade die U-Bahnstation verlassen, überholte mich diese Person, blieb stehen, lächelte mich an und sagte: „Wir beide sind schon schräg drauf.“

 

Weiter erzählte sie: „Ich musterte diese Frau“, ihr dunkles Haar mit rosa Strähnen, ihre Piercings in Nase, Mund und überall im Gesicht, die mit schwarzer Schminke überbetonten Augen und der dunklen Kleidung aus Stoff, Leder und Latex.“

 

„Diese Frau in ausgeflipptem Outfit behauptete doch tatsächlich, dass ich schräg drauf sei. Ich – und schräg drauf, mit meinem benediktinischen Habit, Skapulier und dem weißen Schleier. Plötzlich war sie weg.“ Und die Ordensfrau schloss ihren Bericht: „Ich werde den Gedanken nicht los, schräg drauf zu sein!“

 

Die Auffälligkeit dieser beiden Frauen bezog sich auf ihr äußeres Erscheinungsbild. Die eine Frau, nennen wir sie eine „Punkerin“, bezeichnet sich und die Nonne aufgrund ihrer Kleidung als „schräg drauf“. Hier meint „schräg drauf“ nicht „durchschnittlich“ gekleidet zu sein. In der Tat ist es schon eine Leistung bei der Vielfalt der heue üblichen Moden mit irgendeiner Kleidung noch aufzufallen. Religiöse Kleidung in der Öffentlichkeit getragen wie der Habit eines Ordensangehörigen, die Soutane eines Priesters oder die Kopfbedeckung orthodoxer Juden fällt schon noch auf. Unklar allerdings für viele „Fernstehende“ ist die Botschaft religiöser Kleidung.

 

Dabei ist eigentlich dieses äußere kleidungsbezogene „Schräg-drauf“ zu sein der Ausweis eines inneren “Schräg-drauf seins“. Wer z.B. heute nach einer Ordensregel lebt, ist – von der „normalen“ Gesellschaft aus betrachtet – „schräg drauf“; da gibt es kein Vertun.

 

Aber würden Sie auch sagen: Christen als solche und jene, die als hauptamtlich oder ehrenamtlich unterwegs sind, im Besonderen seien schräg drauf? Also, schräg drauf von innen nach außen, passt das auch zu Ihnen? Das würde ja bedeuten, erkannt zu werden an dem, was bei Ihnen im Vergleich mit Mehrheiten nicht gerade, passförmig, auf Linie getrimmt oder konform ist.

 

Schräg drauf sein hätte auch mit anecken zu tun, bis hinein ein „Fallholz zu sein“, ein Skandalon. Sie – und schräg drauf? Ich glaube, die Ordensfrau empfand es als ein Kompliment – natürlich ohne Eitelkeit – schräg drauf zu sein. Ich glaube auch, dass es unsere Stärke ist, als Christen schräg drauf zu sein.

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 5/2018 „Wortgewand“ 
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