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Mittelfristige Perspektiven der Hochschulpastoral

Vorbereitung und Moderation:
Prof. Dr. Monika Scheidler, Dresden
Hochschulpfarrer Christoph Stender, Aachen

Intention und Ziel dieses Werkstattgespräches

Einleitungsreferat von Christoph Stender

Intention und Ziel dieses Werkstattgespräches ist es, die Hochschulpastoral (Hp.) ungeachtet ihrer Geschichte, lieber Gewohnheiten und aktueller Praktiken mittelfristig quer zu denken, sie also auch jenseits der bekannten Wege zu entfalten.

Mitdenken sollen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus ihren je unterschiedlichen Perspektiven: Als Handelnde, Betroffene, Hauptamtliche, Studierende, Verantwortungsträger, Interessierte aber nicht involviert, Professorinnen und Professoren, Auftraggeber, Geldgeber und Kooperationspartner. Entsprechend diesem Querschnitt wurden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen eingeladen.

Konkret praktisches Ziel ist es, diese Veranstaltung betrachten wir als einen Auftakt, in unterschiedlichen Szenarien mittelfristige Perspektiven einer Hp. zu entwerfen auf dem Hintergrund potentieller Intentionen, Botschaften, Orte, Träger, Tätigkeiten, Handelnder und oder Betroffener, Geldgeber, Lobbyisten und Repräsentanten.

Innere und äußere Konfliktränder:

  1. Mancherorts sind auf Grund der finanziellen Probleme der Bistümer hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefährdet, sowie Standorte der Hp. in Frage gestellt oder bereits schon in der Reduzierung
  2. Wer sich der Frage einer mittelfristigen Perspektive von Hp. zuwendet und das mit der Intention der Veränderung, der potentiell immer auch Expansion und Reduzierung zueigen ist, läuft Gefahr, den offensichtlichen da aktuellen Reduzierungsbegierlichkeiten der Bistumsleitungen zuzuarbeiten und somit Arbeitsplätze von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passiv zu gefährden.
  3. In der bewusst gewählten Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer kann (nicht muss) aufgrund der unterschiedlichen Funktionen der Teilnehmenden Reibungs- und somit Konfliktpotential liegen.

Stichworte zum Wandel der Hochschulpastoral
dokumentiert in der Literatur1, beginnend nach dem II. Vatikanischen Konzil bis in die Gegenwart.

1965 wurde von der “Studentenpfarrer – Konferenz” im deutschen Sprachgebiet ein Buch mit dem Titel: “Katholische Studentenseelsorge – Geschichte und Gestalt” in Auftrag gegeben und publiziert.
Mit Blick auf das Dokument die “Konstitution über die Kirche” des II. Vatikanischen Konzils schreibt Hans Werners – Studentenpfarrer in Münster und Vorsitzender der Studentenpfarrerkonferenz – über die Aufgabe der Seelsorge an Studierenden: “In der Vorstellung der Seelsorge sieht man den Studenten in seiner konkreten Situation an der Universität und will ihn persönlich erreichen. Sie will ihm das rechte Wort sagen, ihm helfen zu einem christlichen Leben, zur rechten Entscheidung in aller geistigen und sittlichen Bedrängnis, möchte ihn religiös weiterbilden und ihm ein lebendiges Verhältnis zur Kirche geben.” (Benkert/Ruf, 178.)
Wenige Zeilen später betont der Mitherausgeber dieser Veröffentlichung in seinem Artikel nochmals wie wichtig diese Intention bezogen auf die persönliche Situation des Studenten sei aber fügt hinzu, dass so verstandene Studentenseelsorge zu “einseitig auf den individuellen Zustand des einzelnen …ausgerichtet” (Benkert/Ruf, 178.) sei und gibt zu bedenken, dass auf diesem Weg das Bewusstsein des Studierenden zu kurz komme, “mitverantwortliches Glied an der Kirche zu sein”. (Benkert/Ruf, 178.)

Wolfgang Ruf -Studentenpfarrer in Freiburg und von 1957 – 1961 Vorsitzender der Studentenpfarrerkonferenz – weitet den Blick der Seelsorge an Studierenden über die persönliche Dimension und das Thema Mitverantwortung in Kirche hinaus und stellt fest. “Die (Studenten) Gemeinde nimmt indirekt durch die Studenten, die sie bilden, an dem Prozess der Wissenschaft teil.”
(Benkert/Ruf, 204.) Auf dem Hintergrund der Frage nach der Integration der Studentengemeinde in die Universität und des Verhältnisses beider zueinander bemerkt Ruf: “Auch die Studentengemeinde muss sich wandeln. Sie darf nicht neben der Hochschule Studierende vereinen wollen” (Benkert/Ruf,205.)

Im selben Aufsatz geht Ruf noch einen Schritt weiter: “Wie soll sich eine Studentengemeinde in der Hochschule verstehen, wenn sie nicht direkt zum Fortschritt der Wissenschaft beiträgt, wenn Wissenschaft und Studienpraxis – nicht aus Feindseligkeit, sondern aus sachlichen Gründen – gerade von dem absehen, was Geist und Leben einer christlichen Gemeinde ausmachen? Muss diese dann nicht wie ein Fremdkörper in der Hochschule erscheinen?” (Benkert/Ruf, S. 205.)

Diesen Gedanken weiterführend hält – exemplarisch für viele der Hochschulgemeinden in Deutschland – der Artikel ” Die zukünftige Präsenz der Kirche an den Hochschulen” in der Festschrift “Kreuzungen” die anlässlich des 50 jährigen Jubiläums der Hochschulpastoral in Aachen publiziert wurde fest:

Einer von drei Pfeilern der Hochschulpastoral sei die “Anfrage an die Lehrinhalte der jeweiligen Fakultäten der Hochschulen und ihre Vermittlung, ob sie im Dienst des Lebens der Menschen stehen oder Gefahr laufen, Selbstzweck zu werden. Dies geht nur im Dialog mit Studierenden und Lehrenden.” (Stremmel – Kray, S.59.)

Die Kommission VIII der Deutschen Bischofskonferenz greift die gewachsene Intention der Seelsorge an Studierenden (Hochschulgemeinde) auf, sich in ein Verhältnis zur Hochschule zu stellen, wie sie es auch schon in anderen entsprechenden Schriften getan hat, und betont in dem Thesenpapier zu “Eckpunkte einer zukünftigen Hochschulpastoral” vom Mai 1999: “Der dynamische Wandel der Gesellschaft und die derzeitige Umstrukturierung im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Lehre stellen die katholische Kirche vor die Aufgabe, ihre Präsenz an den Universitäten wie auch den rasch wachsenden Fachhochschulen neu zu bestimmen und neu zu gestalten.”

Wandel der Hochschulpastoral in der Relation

Hochschulpastoral wandelt sich nicht aus einer historisch oder konzeptionell gewachsenen Einheitlichkeit heraus in eine wie auch immer geartete zukünftige Diversität. Hp. ist unterschiedlich und war nie unterschiedslos. Die Tatsachen des unterschiedlichen Erscheinungsbildes der Hp. in Deutschland entspricht diözesaner Traditionen, des Standortes (städtisch/ländlich), der personellen Ausstattung sowie der Sachmittelausstattung, der Hochschullandschaft als solcher vor Ort, der vorhandenen Hochschultypen aber auch dem Fakt ob sie sich in den alten oder den neue Bundesländern bewähren musste.
Hp. wandelt sich aus der Unterschiedlichkeit ihrer selbst in eine von uns nicht direkt mitbestimmbare Zukunft. Diese Zukunft findet in einer sich wandelnden Gesellschaft statt in einer primärbedeutsamen aber unklaren sozialen Situation. Davon betroffen sind die Kriterien wann ein junger Mensch den Status eines Studierenden erlangt (Veränderung der Zugangskriterien), wie lange er ihn halten kann (Studiengebühren/Studienkonten etc.) und wohl auch an welchem Ort er ihn erleben darf (Förderung von Elitehochschulen durch Staat und Land).

Allgemeine Infragestellung der Hp.:

Territorialgemeinde contra kategoriale Seelsorge!
Todschlagargument “kein Geld”.
“Erfolgsquote” im Promillebereich.
Amtskirchenkonformität, ja oder nein.
Ist das zwingend christliche der Hp. nicht bezweifelbar?
Wem fehlt etwas, gäbe es keine Hp.?

Mögliche Gründe des Wandels [ohne den Anspruch der Vollständigkeit.]:

  • Neubestimmung der Intention von Hp.
  • Neubesinnung auf die Grundlagen (Evangelium) auf denen Hp fußt.
  • Interessenswandel bei der Zielgruppe allg.
  • Veränderung der Zielgruppe [Z.B. Für alle, Christen, Katholiken, Menschen guten Willens, Lehrende, Mittellose, Liturgiefähige, Eliten.]
  • Konzentrierung auf bestimmte Fachrichtungen [ Z. B. Theologische Fakultät, Lehramtskandidatinnen, Naturwissenschaftler]
  • Konzentrierung auf einen bestimmten Hochschultyp [Staatliche oder kirchliche Fachhochschulen, Fachschulen, Universitäten.]
  • Reduzierung/Abschaffung des hauptamtlichen Personals in der HP.
  • Veränderung der Lokalität von HP [Z.B. Angliederung an eine territoriale Gemeinde, Zuordnung an eine Akademie, Gestellung an eine Ordensgemeinschaft]
  • Delegation der Trägerschaft [Z.B. Autonomes Zentrum mit Sachmittelfinanzierung, Ordensgemeinschaft, Stiftung, e.V., private Trägerschaft, ein Sponsor.]
  • Bistümlicher Verzicht auf die HP aus finanziellen o. ä. Gründen
  • Paradigmenwechsel in einem Bistum die Intensität von Hp. betreffend [Z. B. Exemplarisch auf ein Thema, einen Ort und eine Personengruppe bezogen. Auf die Fläche bezogen entweder überall eine Personengruppe, oder ein Thema bedienen. Die Reduzierung auf ein Hochschulzentrum bei kleineren Bistümern wäre denkbar wie z.B. Essen geschehen.]
  • Veränderung der Hochschullandschaft [politisch, sozial, lokal]
  • Drastische Veränderung der gesellschaftlichen Kräfte bezogen auf die Akzeptanz von Kirche im öffentlichen Raum.
  • Soziale Veränderung in der Gesellschaft zwingen die Kirche bei geringen Eigenmitteln zu ausgrenzenden Akzentsetzungen.

Wer ist die Zielgruppe der Hp. und welche ihrer Befindlichkeiten sollen/müssen bedient werden:

  1. alle an der Hochschule Tätigen
  2. die kirchlich sozialisierten (mit dem entsprechenden gewohnten kirchlichen Programm)
  3. die Ratsuchenden (deutsch und international)
  4. Gottesdienstbesucher
  5. Elite, Begabtenförderung
  6. finanziell zu unterstützende
  7. Studierende mit Interesse an religiös lebensorientierter Begleitung
  8. Bewohner und Bewohnerinnen von (kirchlichen) Wohnheimen
  9. an Themen interessierte
  10. Studierende bestimmter Fächer (Kanon)
  11. Geschlechterorientiert
  12. Studentische Randgruppen (Behinderte, Homosexuelle etc)
  13. bestimmte Spiritualitäten oder Gemeinschaften (Campus für Christus)
  14. sozial engagierte (Kirche, Vereine, Fachschaft, Asta, Verbindungen)
  15. Zukünftige Führungspersönlichkeiten (siehe auch Begabtenförderung wie Cusanus, KAAD etc.)

An welchen auf die Kirche bezogenen internen und externen Interessenslagen orientiert sich die Hp:

  • Bedürfnislage der Studierenden
  • Interessen der Hochschule und angegliederten Institutionen
  • Mehrheitliche Interessen von Kirchenvertretern und /oder kircheninterner Institutionen.
  • Evangelium
  • Politisches Interesse von Seiten der Kirche an den Hochschulen.
  • Pragmatische Orientierung [Z.B. Vermittlungsbedarf von Mitarbeitern, zu belegende Immobilien.]
  • Lobbyisten
  • Finanzen

Wer bestimmt die “Botschaft” der Hp. und ihr “Kleid”:

  • die Bistumsverantwortlichen
  • die in der Hp hauptamtlich Tätigen
  • die Studierenden (Zielgruppe)
  • der Steuerzahler/Sponsor

Was könnten die Wasserzeichen (Identitätsmerkmale) der Hp. sein:

  1. Die Trias von Diakonia, Martyria und Liturgia (in Koinonia)
  2. kulturelle “Diakonie” (z. B. Kunst)
  3. Interkulturalität und Interreligiosität
  4. Gender
  5. Partizipation
  6. Existenzbegründend in internen (z.B. kirchliche Akademien) und externen (z.B. Didaktisches Zentrum der Uni) Kooperation (Hp. legt das Seine auf den runden Tisch zu Anderem in einer Sache.)
  7. Hp. als Avantgarde von Kirche
  8. Hier ist alles möglich
  9. Der väterliche Arm des Ortsordinarius (Bischof)

Schlussbemerkung:

Gerade weil in der Gesellschaft, dem Umfeld der Hochschule sowie in ihrem Kern selbst vieles im Umbruch ist und in Ihr die Seelsorge, die Hochschulpastoral, die Präsenz der Kirche an den Hochschulen ihren originären und einzigen Ort hat (wenn sie vom Glauben in einer Welt von morgen auch weiterhin programmatisch sprechen will), ist sie allein deswegen mit dem Wandel, der Veränderung so auch ihrer selbst verbunden. Jedoch definiert sich Hp. nicht einzig aus dem Wandel. Der finanzielle Druck der Bistümer entscheidet über die Zukunft der Hp. jenseits des gesellschaftlichen Wandels, aus einer eigenen Dynamik heraus und schafft wiederum Wandel der aber möglicherweise auch das Ende der Hp vor Ort bedeuten kann.
Hp. steht so (im besten Fall) vor einem doppelten Wandel, dem der Gesellschaft und dem am Finanzdiktat orientierten kirchenintern Wandel.

Diesen Herausforderungen gerecht zu werden dient unser hiesiges Anliegen, sich von den herkömmlichen Vorstellungen und Erfahrungen die Hp. betreffend (experimentell) zu verabschieden, um in den Gedanken unvoreingenommen und unbelastet zu sein, Hp. neu, frei anders, eben potentiell zukunftsfähig zu denken.
Kurz gesagt: Wir bitten Sie bedingungslos Hochschulpastoral zu denken!

Gestatten sie mir abschließend folgenden Vergleich: Sie sind eingeladen mit Ihren unterschiedlichen Kompetenzen, Erfahrungen, Analyseinstrumenten und Ihrem kreativen Potential als Modedesigner eine kleine, dreiteilige Kollektion der mittelfristigen “Ausstattung” von Hochschulpastoral zu entwerfen, so einen Mantel, ein Sakko und eine Weste. Diese Kreationen sollen auf dem Laufsteg den Betrachter betören, die Realität der Bekleidungsindustrie aber nur sekundär, fast banal inspirieren. Enttäuscht? Kein Grund, denn ohne diese Inspiration durch die Modekünstler gäbe es keinen kreativ veränderten Trend in der Mode, sondern nur pragmatische Anziehware, die irgendwelchen praktischen und pekuniären Zwängen zu folgen hat.
So lohnt sich auch unser gemeinsames kreatives Nachdenken über zukünftige Perspektiven der Hp. alleine schon nach dem Motto: “Weiter ist der Mensch seit ein Gespräch er ist” (Hölderlin).

1 Literatur: Paul Benkart, Wolfgang Ruf, Hrsg. Katholische Studentenseelsorge, Geschichte und Gestalt. Paderborn, 1965. Kurt Stremmel – Kray, Hrsg. Kreuzungen, 50 Jahre Hochschulpastoral in Aachen. Aachen, 1997. Zentralstelle Bildung der Deutschen Bischofskonferenz, Hrsg. Eckpunkte einer zukünftigen Hochschulpastoral. Bonn,1999.
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