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Piraten auf dem Wohnungsmarkt

Eine Gaststätte, erster Ort unserer Begegnung. Gegenseitige Sympathie. Spaziergang, Kino sowie Biergarten waren angesagt, bevor die Frage kam: “Wo wohnst du eigentlich?”

Er sei noch im Umzug, wiegelte der Student europäischer Herkunft ab. Eine weitere Begegnung war plötzlich ganz schwierig. Einige Tage später gab es eine Adresse, wir verabredeten uns im Flur vor seinem Zimmer, so die Bitte des 26-jährigen Aufbaustudenten.

Ich schellte, er merkte, wie komisch diese Situation wurde, und bat mich dann doch zögernd in seine Behausung. Dieser einfach gekleidete Mann lebte in einem Loch und schämte sich unsagbar.

Das Waschbecken gesprungen und nicht mehr zu säubern, Schranktür Fehlanzeige, Tisch wie vom Sperrmüll, auf dem Boden total versiffte, ehemals rosafarbene Langhaarbodenfliesen, teilweise abgerissene Tapete.

Er sagte kaum hörbar “Ich habe nichts anderes bekommen.” 13 Quadratmeter, Toilette auf dem Flur für je fünf Insassen, in einem heruntergekommenen Haus, Kaltmiete 140 Euro. Ich schämte mich für unsere Stadt.

In diesem Haus, mitten in Aachen, befinden sich nur ausländische Studenten. Der in Aachen lebende Hausbesitzer verweigerte nach vertragsgemäßem Auszug dieses Mieters drei Monate die Kaution. Das Haus, der Vermieter, eine Unverschämtheit.

Mir ist bewusst, das ist nicht die Regel. Aber solche Ausbeutung gibt es, und die ist kein Einzelfall. In den nächsten Wochen werden wieder tausende Studierende, unter ihnen circa zehn Prozent Gaststudenten aus anderen Ländern, eine Bleibe suchen.

Sie sind Gäste und Neubürger und -bürgerinnen der Europastadt, auch Wirtschaftsfaktor. Ihnen allen ist zu wünschen, dass sie sich von Anfang an in unserer gemütlichen, modernen und traditionsbewussten Stadt wohl fühlen können.

Die Machenschaften jener Hausvermieter aber, die das Ausgeliefertsein schamlos ausnutzen, legen einen Schatten der Unmenschlichkeit auf unsere sonst so gastfreundliche Stadt. Mögen auch die letzten Piraten auf dem Wohnungsmarkt an der Zivilcourage seriöser Vermieter und Mitbürgerinnen scheitern, weil sie gegen diesen Missbrauch eintreten.

Besonders ausländische Studierende werden in ihren Heimatländern zu Botschafterinnen und Botschaftern eines menschenfreundlichen Aachen, wenn sie hier auch fair und respektvoll behandelt wurden!

Quelle: Aachener Zeitung, 11.08.2004.
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