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Kleine Portion Macht

Haben Sie auch solche oder ähnliche Erinnerungen? In meiner Schulzeit freuten sich die anderen in der Klasse, wenn der Sportlehrer ankündigte: „Heute ist kein Bodenturnen dran, sondern Fußball.“ Das folgende Ritual der Mannschaftsaufstellung war immer gleich. Die zwei „besten“ Fußballer der Klasse wurden vom Lehrer aufgefordert, die Mannschaften zu bilden. Die suchten sich dann abwechselnd die anderen „Besseren“ heraus, bis nur noch die absolute Lusche dastand, und die war ich, die dann mit den Worten „verschenkt“ wurde: „Den Stender gibt es noch obendrauf.“ Zugegeben, ich, genauer meine Füße und der Ball fanden nie sportlich zueinander, denn entweder trat ich neben den Ball oder der Ball verfehlte sein Ziel.

Auch wenn ich immer wieder durch die Mannschaftsaufstellung als Lusche identifiziert wurde, beneidete, ja bewunderte ich die beiden herausragenden Fußballer, obwohl sie mich zur Lusche machten, beziehungsweise von einer höheren Autorität die Macht dazu verliehen bekamen mir diesen Platz zuzuweisen.

Noch heute erinnere ich mich an diese Mannschaftsaufstellung und meine Rolle in diesem kleinen System. Doch verbinde ich mit dieser Erinnerung keinen Groll und auch nicht das Gefühl durch den Gebrauch von Macht erniedrigt worden zu sein. Die Jungens damals wollten einen guten Fußball spielen, und das die bessere Mannschaft gewinnt. Ich konnte zu einem Gewinn sowieso nichts beitragen, das war mir und den anderen klar. So konnte ich, landete der Ball mal durch Zufall zu meinen Füßen, entspannt daneben treten, alles andere hätte mich und die anderen überrascht.

Damals beneidete ich die guten Fußballer weil sie eine kleine Portion Macht in Händen hielten, mit der sie anderen ihren Platz zuweisen konnten. Sie hätten ihre kleine Macht auch nutzen können um mich als erste Wahl aufzurufen in der Hoffnung, mich so zu besseren Leistungen zu motivieren. Gut, dass sie es nicht getan haben, das hätte mich nur gestresst. Wenn ich, ganz nebenbei erwähnt, damals zu der Mannschaft gehörte die verloren hat so macht mir keiner den Vorwurf schlecht gespielt zu habe, schuld daran waren dann immer die „besseren“ Spieler, gut so!

In der Rücksicht frage ich mich, ob die beiden ihre kleine Macht mich herabsetzen zu können genutzt haben um selbst größer zu wirken oder ob sie mich vielleicht sogar schützen wollten durch ihre Legitimation meines fehlenden Talentes.

Auch heute gehöre ich nicht zu den Mächtigen, aber auch ich halte eine kleine Portionen Macht in Händen, wie damals die beiden Jungs. Meine Erinnerung an die Manschaftsaufteilung macht mich heute wach für meinen Umgang mit meiner kleinen Portion Macht, wen ich mit ihr stark mache, vielleicht auch auf Umwegen.

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 02/2022
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