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Lass los und greif zu

Eher beiläufig, auf dem Weg nach Jerusalem mit dem Ziel vor Augen dort seiner Pflicht als frommer Jude nachzukommen, begegnet Jesus einem Mann am Schaftor, nahe dem Teich Betesda, zu dem 5 Säulenhallen gehören, so die Beschreibung. (Joh 5,1-16) In diesen Hallen, abseits vom Stadtleben, lagern Kranke durchsichtig  organisiert. Unter ihnen Blinde, Lahme, Verkrüppelte, eben all jene, die damals eine Gefahr für die  „gesunde“ Gesellschaft darstellten. Jesus sah den Mann auf der Bahre nicht nur, er „be – merkte“ ihn, spürte sein an diese Bare gekettet sein, das konkrete Krankheitsbild war eher unklar, nach seinem Befinden fragte Jesus nicht. Ohne Umschweife aber reduzierte Jesus seine Distanz zu dem Mann auf ein Minimum mit dieser Frage: „Willst du gesund werden“.

Achtung: Die Beantwortung dieser Frage scheint für einen Gesunden eindeutig, denn was sollte der Kranke, der schon fast mit der Bare verwachsen war auch anderes antworten als: „Ja, gesund will ich werden! 

Mit dieser Frage generiert sich Jesus weder als praktischen Arzt, noch als speziellen Diagnostiker. Jesus bricht mit dieser Frage die eher gängige Vorstellung auf, das vermeintlich Gesunde festlegen könnten wer die Kranken sind und welche Hilfe sie bräuchten.

Doch dieser namenlose Kranke gab keine Antwort auf die Frage Jesu. Er erzählte stattdessen seine Lebensgeschichte in wenigen traurigen Worten: Bisher habe er keine Hilfe bekommen um gesund zu werden. Seine Heilung könne nicht funktionierte, da schon über 30 Jahre lang niemand der mobiler war als er selbst ihn aufgenommen hätte um ihn dann in Richtung Genesung zu tragen. Aktuell rechnete der Mann wohl auch nicht damit von Jesus in Richtung heilendes Wasser getragen zu werden.

Jesus allerdings geht nicht auf die Leidensgeschichte des Gelähmten ein, fragt auch nicht nach, er bekräftigt nicht, noch spendet er Trost. Jesus hätte sogar unterstellt werden können kein Fingerspitzengefühl zu haben, denn diese Aufforderung hätte auch als Zumutung und Respektlosigkeit gewertet werden können. „Steh auf, nimm deine Bare und geh!“

Diese Anordnung, fast klingt sie nach der Verordnung eines Rezeptes, lässt nur einen Handgriff zu: Gelähmter, was dich bis jetzt getragen hat sowie die dazugehörende Umgebung, lass es los. Dann hast du selber die Hände frei um zu greifen was dich trägt. Geh los!

Erkenntnis. Das was dich bisher getragen hat kann krank machen und lähmen. Losgehen bedeutet: Das Lähmende suchen in dem Vertrauten? Die Gewissheit befragen ob sie krank macht. Das Stabilisierende durchleuchten auf Abhängigkeiten hin. Wohltuende Begrifflichkeiten wenden um Beschwichtigungen und Verharmlosungen zu enttarnen. Nimm also deine Bahre und geh!

Erschienen in: Anzeiger für die Seelsorge 06/2020
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