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Was ist geblieben von der Heiligtumsfahrt 2014? Der Auftrag „den Aufbruch wagen“ bleibt

Die Heiligtumsfahrt 2014, in die hinein auch das Karlsjubiläum mit dem Erfolg der drei Ausstellungen in Rathaus, Centre Charlemagne und Domschatzkammer fiel, war mit über 100 000 Besuchern einfach gelungen, so die einhellige Meinung. Aber wen interessiert heute, was vor 358 Tagen ein Erfolg war? Wäre es nicht nachdenkenswerter, schon jetzt die nächste Heiligtumsfahrt als Event in der Stadt Aachen in den Blick zu nehmen, und die letzte da zu belassen, wo sie vermutlich schon längst ist, in der Versenkung?

Aber ist es wirklich der Sinn der „Heifa 2014″ gewesen, sie mit ihrem Ende dem Vergessen anheimzustellen? Nein! Besonders 2014 war nicht für das Vergessen geschaffen. Klar ist, dass die nächste Fahrt dem Turnus entsprechend voraussichtlich 2021 stattfinden wird. Interessant wäre nebenbei die Frage, wie man den Zwischenraum zwischen zwei Heiligtumsfahrten nennen mag. Wer da eine Formel aus dem Fußball bemühen möchte, könnte sagen: Nach der Heifa ist vor der Heifa. Allerdings passt das nur, wenn eine Heifa sich verstünde als ein abgeschlossenes Event, wie z.B. eine Fußballpartie.

Die Heiligtumsfahrt 2014 verstand sich aber eben nicht nur als Event, das nach Abschluss vergessen werden will, sondern als ein Ereignis, das bei den Menschen, die sich darauf eingelassen haben, etwas anstoßen wollte. Der Kerngedanke der „Heifa 2014″ unterstrich diesen Anspruch mit ihrem Leitwort: „Glauben in Bewegung”. Dessen Bedeutung bringt der Beginn des Refrains des Pilgerliedes zur Heifa 2014 auf den Punkt: „Den Aufbruch wagen”.

Wer von welchem Ort, welcher Situation oder welcher Befindlichkeit auch immer aufbrechen mag, der beginnt einen Weg und verlässt nicht einfach nur wie nach dem Schlusspfiff eines Spieles das Stadion. Der Aufbruch markiert den Beginn einer Veränderung, die zwar nicht immer dramatisch daherkommen muss, aber schon im Kleinen länger anhaltende Bewegung bedeutet.

Die Einladung der Heiligtumsfahrt, zu schauen, wo Aufbrüche und somit Veränderungen sinnvoll sein können, wandte sich in 2014 ja nicht nur an katholisch bzw. christlich bekennende Menschen. Bewusst fanden viele verschiedene Gottesdienstformate in der Öffentlichkeit statt, so auf dem Katschhof. Diese gewollte Öffentlichkeit ermöglichte, dass die Botschaft der Heifa, nämlich den Aufbruch zu wagen, auch jene „aus der Ruhe” zu bringen in der Lage wäre, die nur im Vorübergehen davon hörten.

Heute, ein Jahr danach, bleibt aber zu fragen, wo die hingekommen sind, die welche Aufbrüche auch immer gewagt haben. Gemeint sind damit nicht die freundlichen Menschen vom Straßenbau, die für die vielen Aufbrüche auf den Straßen und Fußwegen in unserer Stadt sorgen. Gemeint sind die Menschen, die Aufbrüche ganz persönlich für sich und dann vielleicht in Folge auch für andere eventuell entschieden haben.

Ich weiß von solchen Pilgern, die das Thema der Heifa 2014 sehr persönlich genommen haben und vor Konsequenzen nicht zurückgeschreckt sind. Natürlich kann den vielen Menschen, die sich im vergangenen Jahr bewusst als Pilger auf den Weg nach Aachen gemacht haben, nicht nachgegangen werden, um sie zum Thema Aufbruch und deren Gelingen zu befragen. Aber das Motiv der Heifa, Aufbrüche abzuwägen, sich also überhaupt dieser Möglichkeit zu stellen, macht auch ein Jahr später Sinn, und lohnt deswegen aktuell in Erinnerung gerufen zu werden.

Diese Sinnhaftigkeit ist auch der Grund, warum das Mentorat, eine bischöfliche Einrichtung zur Begleitung von Studierender, die an der RWTH katholische Theologie studieren mit dem Ziel Religionslehrer zu werden, jetzt einen Erinnerungsgottesdienst gefeiert hat. Von Studierenden vorbereitet und durchgeführt und von der Studienbegleiterin des Mentorates, Anita Zucketto-Debour, unterstützt, griff dieser Gottesdienst das Thema der Heifa 2014 nochmals auf, um zu sinnvollen Aufbrüchen zu ermutigen bzw. soweit es geht der Frage nachzugehen, wo jene hingekommen sind, die vergangenes Jahr einen Aufbruch gewagt haben?

Dieser Gottesdienst in der Kapelle der Schwestern vom armen Kinde Jesus in der Jakobstraße begann mit Bildimpressionen von der letzten Heiligtumsfahrt. Via Beamer wurden 40 Bilder im Zehn-Sekundentakt präsentiert und kommentiert. Das Evangelium nach Lukas vom Fest Maria Heimsuchung (gefeiert wird die Begegnung zwischen der Mutter des Johannes und der Mutter Jesu), und der Lobgesang Mariens (Magnifikat), bringen Aufbrüche auf den Punkt. Dort heißt es: „Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind. Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.”

Anschließend äußerten Studierende ihre Gedanken zu den vier großen Heiligtümern, dem Kleid Mariens, der Windel Jesu, dem Lendentuch Jesu vom Kreuz und dem Enthauptungstuch Johannes des Täufers. Sie brachten diese Stoffe in kritische Verbindung mit ihrem Erleben des Alltags als Studierende an der RWTH, aber auch als „Weltenbürger”.

Die Musikgruppe „Przystan” (übersetzt: Ankerplatz) der polnischen Gemeinde in Aachen gestalte den Wortgottesdienst musikalisch u.a. mit dem „alten” Pilgerlied: „Den Aufbruch wagen…” Die Gottesdienstteilnehmer waren zwar nur eine kleine Herde, aber überzeugt davon, dass Aufbrüche von Lebens- und Glaubensqualität zeugen.

Jedes Jahr bis zur nächsten Heiligtumsfahrt möchte das Mentorat im siebten Monat des Jahres einen solchen Erinnerungsgottesdienst anbieten, um so die kräftige und mutige Botschaft nicht verhallen zu lassen, sondern einzuladen, den Aufbruch immer wieder auf das eigene Handeln im Privaten, das der Gemeinschaft, aber auch auf das des Gemeinwohl unserer Stadt zu beziehen.

Abschließend bleibt nachzudenken, wie ansprechend auch in Zukunft die Aachener Heiligtumsfahrt gestaltet werden soll. Wenn es auch zukünftig wirklich um Nachhaltigkeit, also Begeisterungsfähigkeit gehen soll, dann sollte der Kerngedanke der Heifa 2014 „den Aufbruch wagen” auf den „Gipfel” geführt werden: „Mit Gott zum Wohl aller Religionsgemeinschaften.” Zur “Heifa 2021” wird Kirche mit diesem Kerngedanken hochaktuell sein. In das gemeinsame Wohl der Religionsgemeinschaften zu investieren bedeutet, auch aktuell für eine Kirche, die sich mitten in der Gesellschaft verortet, immer neue Aufbrüche zu versuchen und auch unterhalb der Religionen diese anzuregen. So verstanden und gehandelt stimmt es in diesem Fall vielleicht doch, das nach der Heifa 2014 vor der Heifa 2021 ist.

Quelle: Aachener Zeitung, 04.07 2015 / Nr. 152
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