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Was sehen Sie? Was sieht Ihr Kind?

Eine Frau spielt Blockflöte, zwei Kinder hören zu. Mehr ist auf dem Bild nicht zu sehen, mit Ausnahme des Adventskranzes

Dieses Bild zeigt eine Mutter und zwei Mädchen beim Musizieren im Advent. Auf den ersten Blick scheint das irgendeine Familie zu sein, halt nichts Außergewöhnliches. Dass der Vater auf der Fotografie fehlt, wird keiner wirklich kritisieren, denn der knipst ja wohl gerade die Idylle. Aber ist das wirklich eine Familienidylle? Oder fährt der Wunsch des Betrachters nach Harmonie zu solcher Deutung, die nicht unbedingt den Tatsachen entspricht?

Sitzt da etwa eine Mutter allein mit zwei Kindern, frisch verlassen vom Vater und der Fotograf ist nur der Nachbar? Sind das gar nicht die eigenen Kinder dieser Frau? Ist eines der Mädchen ein Adoptivkind, deren leibliche Mutter es nicht behalten wollte, konnte oder durfte? Hat da gar ein allein erziehender Vater für dieses Foto seine beiden Kinder der Schwester überlassen? Oder ist das doch eine Familie, nur mit dem Unterschied, dass die Lebenspartnerin dieser Frau hinter der Kamera steht?

Was sieht so mancher Erwachsene in diesem Bild? Die einzig mögliche Wirklichkeit, weil es in Sachen Familie ja nur eine geben kann? Oder sind wir am Fest der Heiligen Familie auch bereit, verschiedene Realitäten von Mann, Frau und Kindern als Familie wahrzunehmen, auch wenn wir sie persönlich nicht immer gutheißen wollen?

Was sehen Kinder eigentlich in diesem Bild? Würden sie sagen: ja, das ist die Mutti von den Mädchen und der Papa hat auf den Knopf gedrückt? Wovon würden Kinder sich leiten lassen bei ihrer Deutung dieser Fotografie? Kinder würden sehr realistisch, auf dem Hintergrund ihrer eigenen Sehnsucht sagen was sie sehen. Und wenn dieses Bild Kindern von Geborgenheit, schätzender Annahme und liebender Gemeinschaft erzählt, und sie je elterliche Liebe erleben durften, dann würde da eine Mutti auf diesem Stuhl sitzen und hinter der Kamera steht dann auch ein Papa.

Ortswechsel: Wie uns das Evangelium am Fest der heiligen Familie berichtet, machen sich Josef und Maria auf den Weg zum Tempel, um das Gesetz erfüllend ihr Kind dem Herrn zu weihen. Was heißt aber, sein Kind dem Herrn weihen? Hier geht es nicht um die Erfüllung einer blutleeren gesellschaftlichen Regel vergangener Zeiten, sondern um den gesellschaftsprägenden Dank dem gegenüber, der alles Leben ermöglicht. Gott danken für dieses zerbrechliche Leben eines den Eltern nur geliehenen Kindes. Dieser Dank Gott gegenüber ist nicht nur rückwärts gerichtet.

Der Dank ist auch eine Vision für das Kind: Möge die Liebe Gottes dieses sich entfaltende Leben nie allein lassen. Wer aber ein Kind annimmt und es Gott anvertraut, der ist selbst zur Antwort Gott gegenüber verpflichtet. Denn Verantwortung für ein Kind zu übernehmen bedeutet, der Liebe Gottes eine Heimat geben zu wollen in der eigenen Liebe zu dem anvertrauten Kind. Die Liebe des Menschen soll nach der Liebe schmecken, mit der Gott uns Menschen hebt. Die Liebe des Menschen jedoch findet ihren tiefsten Atem in der Liebe Gottes. Wir müssen von der Liebe Gottes schweigen, wenn unsere Kinder nicht von aufrichtender Liebe umgeben sind. Darum sind Vater und Mutter, und auch jene Menschen die unseren Kindern Eltern sind, die ersten Botschafter und Botschafterinnen der Liebe Gottes.

Ortswechsel: Was sehen eigentlich Kinder in diesem Bild? Sie sehen nur, was sie auf Grund der eignen Erfahrungen und Hoffnung entdecken können. Hoffentlich sehen sie Menschen, die ihnen Liebe, Verlässlichkeit und Geborgenheit schenken, denn welches Kind träumt nicht von einer Familie – und das nicht nur in der Weihnachtszeit.

Erschienen in: Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, 22.12.2002
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