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Die Stille, die Gemeinschaft, die Arbeit

Ein Blick in einen der Gänge des Gebäudekomplexes.

Ein Blick in einen der Gänge des Gebäudekomplexes.

Einblicke in das Leben der Schwestern vom armen Kinde Jesus. Ein Besuch im Kloster in Aachen-Burtscheid. Die entscheidende Rolle von Ostern. Und dann gibt es in diesem Mikrokosmos noch einen ganz besonderen Schatz.

Von Christoph Stender (Text) und Michael Lejeune (Fotos)

Gegensprechanlage, Kamera, automatischer Türöffner, Schleuse, eine freundlich lächelnde Nonne hinter Glas, so der erste Eindruck. Die Pforte – heller Stein, klare Linien – liegt im Neubau von 2004, der links den Altbau aus der Gründungszeit anno 1864 und rechts einen Bau, entstanden 1973 an der Michaelsbergstraße in Aachen-Burtscheid, zu einem Ensemble verbindet.

Im linken Gebäudeteil befinden sich die Verwaltung, kleinere Wohneinheiten für Mitarbeiter und ein Konferenzraum der besonderen Art. Denn in Vitrinen und Schränken werden hier fast beiläufig Geschirr, Spielzeug, Stickarbeiten und andere Kleinigkeiten aus dem Hause Fey aufgehoben und präsentiert.

Den größten Teil des Klosters der Schwestern vom armen Kinde Jesus – Clara Fey gründete die Gemeinschaft 1844 – macht der im neugotischen Stil errichtete Altbau aus, in dem über drei Etagen verteilt 74 Ordensschwestern, zwischen 63 und 100 Jahre alt, wohnen. In diesem Mikrokosmos zu leben, bedeutet miteinander beten, täglich die Eucharistie feiern, sich einander zumuten, gemeinsam die Mahlzeiten einnehmen, den anvertrauten Aufgaben nachgehen, die Alten und Kranken pflegen, sich gemeinsam erinnern und sorgenvoll in die Zukunft schauen.

Dreh- und Angelpunkt des Klosterlebens: In ihrer Kirche kommen die Schwestern vom armen Kinde Jesus zu Gottesdiensten und Gebeten zusammen – sie ist im Übrigen auch für Gäste offen. Stille, Einkehr, Anbetung gehören zum Alltag der Gemeinschaft.

Schmuckloser Kreuzgang

Jetzt ist Essenszeit: Rollstühle und Rollatoren parken im Kreuzgang vor dem Refektorium, dem Speisesaal der Ordensschwestern.

Jetzt ist Essenszeit: Rollstühle und Rollatoren parken im Kreuzgang vor dem Refektorium, dem Speisesaal der Ordensschwestern.

Durch das Parterre zieht sich ein 65 Meter langer, fast schmuckloser Kreuzgang, über den auch das Refektorium zu erreichen ist. Wenn dort vor diesem Speisesaal Elektrorollstühle, Rollatoren und andere Gehhilfen geparkt stehen, dann ist Essenszeit angesagt. Am Ende des Gangs befinden sich Tagungsräume für interne Weiterbildung und Konferenzen und eine kleine Anbetungskapelle.

Anbetung bedeutet hier, sich in Stille zu konzentrieren auf die Gegenwart des von den Toten auferstandenen Christus, der in dem Eucharistischen Brot gegenwärtig ist. Anbetung geht nur mit Blick auf Ostern, denn sie ist keine christliche Nabelschau, sondern ein sich ausgesetzt Wissen inmitten der Welt angesichts dieses sich offenbarenden Gottes.

Christen bekennen, dass in der Menschwerdung Jesu Gott einen einmaligen und anhaltenden Dialog mit uns Menschen eröffnet hat, der Konsequenzen hat für das Miteinander in unserer Gesellschaft.

Ein kleiner Gegenstand, der hier in der Kapelle verborgen im Tabernakel steht, hat so viel Aussagekraft, dass er auch Menschen fasziniert, die mit dem christlichen Eucharistieverständnis nichts am Hut haben: eine sogenannte Kustodia. Dieses Schaugerät ist kunstvoll aus „Vermählungsringen“ verstorbener Ordensfrauen gearbeitet, in deren Mitte das Eucharistische Brot zur Verehrung eingestellt ist.

Einen „Vermählungsring“ streift eine Ordensfrau bei der ewigen Profess, also dem Versprechen, einer Ordensgemeinschaft lebenslang anzugehören, über den Ringfinger, als Symbol dafür, nun eine ausschließliche Beziehung zu Christus pflegen zu wollen.

Wenige persönliche Dinge

Der Gang in die zweite Etage ist eigentlich nur den Schwestern vorbehalten, denn hier beginnt ihr privater Bereich, die Klausur. Die von dort aus zugängliche große Kirche steht allerdings stets willkommenen Gästen offen. An diesen öffentlichen Raum schließen sich aber dann die kleinen Zimmer der Schwester an, bitte privat!

Einfach möbliert, mit wenigen persönlichen Kleinigkeiten ausgestattet: Blick in ein Schwesternzimmer.

Einfach möbliert, mit wenigen persönlichen Kleinigkeiten ausgestattet: Blick in ein Schwesternzimmer.

Jede hat hier ihr eigenes Zimmer, einfach möbliert, mit wenigen persönlichen Kleinigkeiten ausgestattet. Gemeinsam haben sie die sanitären Örtlichkeiten, eine Bibliothek und Gruppenräume, in denen Fernseher und Tageszeitungen präsent sind.

Hier in der Klausur atmen der Schatz der Gemeinschaft, die Biografien der Schwestern, die oft fast ein ganzes Leben lang mit dieser Gemeinschaft in das Leben anderer Menschen investiert haben. Sie waren unterwegs als Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen, Erzieherinnen, Krankenschwestern und Pädagoginnen. Sie investierten Lebenszeit in soziale Brennpunkte und caritative Einrichtungen. Sie verstanden das Kunsthandwerk der Stickerei und der Herstellung von Krippenfiguren aus Wachs. Sie waren aber auch tätig in der eigenen Landwirtschaft, Klosterküche und Wäscherei.

Jedes Schwesternleben ist ein „Einsatzbericht“ für das arme Kind Jesus, „denn mit ihm rückt jedes Kind dieser Welt in die Mitte“ (Clara Fey).

Hier ist die Erinnerung zum Schneiden dick, die Krankheit Alltag, und der Tod hat eine Dauerkarte. Auf den Fluren sind zu vernehmen munteres Erzählen, herzhaftes Lachen, geduldiges aufeinander Eingehen, aber auch Schreie in der Nacht.

Mit jeder Schwester, die stirbt, stirbt ein Stück der Geschichte dieser Gemeinschaft, ein Gesicht des Ordens, eine Stimme der Botschaft Jesu.

Der Zukunft Raum geben

Doch wer meint, nur der Sensenmann habe dieses Kloster im Griff, der irrt. Denn die Bausteine für die Zukunft der Gemeinschaft liegen auch hier, kulturell und sozialgeschichtlich bedingt, greifbar im physischen Nachlass der Ordensgründerin.

In die Zukunft planen, bedeutet für die Schwestern, sich zu fragen: Wovon werden wir leben? Wir kann das biografische und kulturelle Erbe der verstorbenen Schwestern weiter bewahrt werden? Wie können wir auch in nicht klösterlichen Lebensformen die Spiritualität der Gemeinschaft weitertragen? Wie gestalten wir mit nur wenigen Schwestern eine Ordenspräsenz in der Stadt? Wie ist die Pflege der alten, kranken und sterbenden Schwestern zu garantieren? Wie kann das Apostolat, die Identität der Gemeinschaft, „an der Seite der bedürftigen Kinder zu sein“, neu realisiert werden? Die Antworten auf diese Fragen können die Schwestern in Aachen allerdings nicht alleine finden, das „große Wir“ der Gemeinschaft, zu dem alle Mitschwestern in Europa (230 Schwestern), Kolumbien (57) und Indonesien (203) gehören, ist da gefragt.

Im August diesen Jahres kommt in Burtscheid das alle sechs Jahre stattfindende Generalkapitel, zu dem 38 delegierte Schwestern aus den drei Kontinenten gehören, zu Beratungen und der Wahl einer neuen Generalleitung zusammen. Grundlegende Themen, die auch relevant sind für die Schwestern in Aachen, werden sein: das Alleinstellungsmerkmal der Gemeinschaft, neue effizientere Strukturen, stärkere Vernetzungen der Kommunikation über drei Kontinente hinweg. Und sie werden auch klären, welche Kompetenzen die zukünftigen Schwestern in Leitungsfunktionen haben sollten.

Das Kind in der Mitte

Für drei Wochen wird dann die „Schwesterndichte“ zumindest in Burtscheid zunehmen. Ein wenig mag das dann an die Situation vor gut 75 Jahre erinnern, als „genügend“ Schwestern in Aachen waren, um damals vier zu entsenden mit dem Auftrag, in Bogotá eine Schule aufzubauen, in der sich im religiösen und pädagogischen Geiste Mutter Claras um Kinder gekümmert wird.

2013 durfte ich (Christoph Stender, Anm. d. Red.) fünf Schwestern begleiten, die anlässlich des 75. Bestehens das Kolleg Santa Clara besuchten.

Weitere acht Einrichtungen der Schwestern besuchten wir, und in jeder wurden wir mit Freude, Zuneigung und Dankbarkeit empfangen, gepaart mit herzlicher Gastfreundschaft. Die jungen Menschen begrüßten uns mit Tänzen, Liedern, Instrumenten, holprigen Reden und immer mit einem Meer kleiner Fähnchen in Schwarz-Rot-Gold und Gelb-Blau-Rot. Zusätzlich erläuterten uns die Schwestern das pädagogische Konzept ihrer Arbeit. Auf den Punkt gebracht: „Kindern einen verlässlichen Rahmen zu gewährleisten, innerhalb dessen sie bei sich selbst ankommend Kind sein dürfen, miteinander lernen, drei Mahlzeiten am Tag haben, spielerisch in Gemeinschaft dem Leben auf den Grund gehen und das im Respekt vor Gott und voreinander.“

Sehr bedrückend war die Fahrt nach Cazuca, einem Slum am Rande von Bogotá. Meinte ich aus dem Fernsehen zu wissen, was ein Slum ist – wie eingebildet und naiv –, hatte ich doch keine Ahnung von dieser Armut und Perspektivlosigkeit in dieser Trostwüste. Als wir dann den Kinderhort mit angrenzender Krankenstation betraten, erwarteten uns schon aufgedrehte, fröhliche Kinder, die gar nicht abwarten konnten, uns ihre Lebenslust zu zeigen. Es schien, als sei das eine andere Welt, aber nein, es war die Welt dieser Kinder, mitten im Slum, in denen die Schwestern „einfach“ nur ein anderes Fenster öffneten. Hier tanken die Kinder Hoffnung, die ihnen hilft, den Alltag im Slum etwas leichter zu ertragen.

Ich verließ Kolumbien, begleitet von starken Eindrücken und einem Koffer, in dem meine Wäsche komplett gewaschen und gebügelt den Rückflug antrat.

Kleinigkeiten

Clara Fey, die Gründerin

Clara Fey – geboren am 11. April 1815 in Aachen und gestorben am 8. Mai 1894 im niederländischen Simpelveld – war die Gründerin der katholischen Kongregation der Schwestern vom armen Kinde Jesus. Sie war eine Fabrikantentochter, das vierte Kind der Familie, wuchs wohl behütet auf. Schulbildung genoss sie an St. Leonhard, auch durch ihre Lehrerin Luise Hensel. Mutter Fey stärkte ihre soziale Wahrnehmung, Clara begleitete sie auf ihren Wegen zu den Armen. In dieser ganz normalen Frau wuchs eine starke Christusbeziehung heran, in der sie ihre Liebe zum Kind entdeckte. Bis zu ihrem Tod stand besonders das notleidende Kind für sie im Mittelpunkt. Mit der Gründung ihrer Gemeinschaft am 2. Februar 1844 ging Clara so auf ihre Weise auf die Barrikaden für die verwahrlosten Kinder in Aachen.

Die Eckpfeiler der Gemeinschaft: die Verbundenheit mit Christus (ihr Leitmotiv: „manete in me“ – „bleibt in mir“, Joh 15,4) und die Sorge um das Kind, festgeschrieben im Namen der Gemeinschaft, Schwestern vom armen Kinde Jesus.

Unter den Delegierten zum Generalkapitel 2014 ist auch Sr. Johann Baptist, promovierte Ärztin, sie leitet die Krankenstation im Slum bei Bogotá. Wenn sie dann drei Wochen hier im Kloster lebt, wird sie sich wie selbstverständlich auch um die Wäsche kümmern und den Schwestern und Angestellten in der hauseigenen Wäscherei zur Hand gehen.

Kleinigkeiten und Selbstverständlichkeiten sind aus einem Kloster nicht wegzudenken, verbreitet sich mit ihnen doch die Menschenfreundlichkeit, eine Lebensqualität, die auch nach Gott schmeckt.

Drei Köpfe

Schwester Maria Virginia Hohn

Geboren: 1937
Tätigkeit: Regionaloberin Deutschland
Geburtsort: Baasem
Highlight: Überführung der sterblichen Überreste Clara Feys von Simpelveld (Niederlande) in den Aachener Dom.
Kernsatz: Jesu Aufforderung „manete in me“, übersetzt „bleibt in mir“.
Lebensgefühl: Von Gott erzählen als dem, der uns nahe ist, und das im Leben greifbar werden lassen.

Schwester Maria del Rocio Angel-Moreno (Kolumbien)

Geboren: 1948
Tätigkeit: Generaloberin
Geburtsort: Armenia
Highlight: Die Zeit in Monterredondo, einem kleinen Ort in den Bergen Kolumbiens, wo ich bei den Ärmsten und Verlassensten arbeiten konnte.
Kernsatz: „Lieben wir die Kinder, weil Jesus sie liebt, und lieben wir Jesus in ihnen.“ (Clara Fey)
Lebensgefühl: Die Eucharistie so leben, dass Menschen durch uns Gottes Barmherzigkeit erfahren.

Schwester Petra Floeck
Geboren: 1957
Tätigkeit: Büroleiterin im Sekretariat des Bischofs von Aachen
Geburtsort: Grevenbroich
Highlight: Die Mitarbeit als Katechetin für mehrfach behinderte Kinder in England. Die tiefe Freude dieser Kinder, zu Christus zu gehören, hat meinen Glauben gestärkt.
Kernsatz: „Gott liebt uns zuerst, von seiner Seite ist alles klar, uns bleibt nur eines übrig, dass wir uns ihm zuwenden und ihn anschauen.“ (Clara Fey)
Lebensgefühl: Mit Christus auf dem Weg zu sein, verschont nicht vor schweren Zeiten, aber anders als mit Christus will ich ihn nicht gehen.

Kunsthandwerk: Aus der Not zur Fachfrau

Als Gemeinschaft feierten die Schwestern am 21. September 1848 ihren ersten Gottesdienst. Die Gewänder für den Priester liehen sie sich damals in Nachbargemein-den aus. Doch die mäßige Qualität und Ästhetik dieser Leihgaben bewog die Schwestern, Messgewänder selber herzustellen. Im Oktober 1848 fertigten sie ihr erstes Exemplar.

Schon sieben Jahre später wurden Werkstadtniederlassungen über Aachen hinaus in Köln eingerichtet und später unter anderem auch in Luxemburg, Österreich und England.

Textautor Christoph Stender (rechts) ist tätig in der Ausbildung von Religionslehrern im Bischöflichen Mentorat an der RWTH Aachen. Der Aachener Fotograf Michael Lejeune begleitet die Ordensgemeinschaft bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Foto: Michael Jaspers

Textautor Christoph Stender (rechts) ist tätig in der Ausbildung von Religionslehrern im Bischöflichen Mentorat an der RWTH Aachen. Der Aachener Fotograf Michael Lejeune begleitet die Ordensgemeinschaft bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Foto: Michael Jaspers

30 Stickschwestern arbeiteten um 1860/70 „Vollzeit“ im Aachener Strickatelier. Hier wurden bis 1865 allein 400 Messgewänder im „mittelalterlichen Schnitt“ mit Darstellungen aus dem Leben Jesu und der Heiligen hergestellt.

Bestechend sind die absolute Präzision, mit der die Schwestern ihr Handwerk ausübten, und nicht minder die künstlerischen Bildkompositionen. Aus ganz Europa bezogen sie Stoffe, Garne, Goldapplikationen und Pailletten. Das Bild oben zeigt Probestickereien und Skizzen für Messgewänder und Fahnen aus dem 19. Jahrhundert.

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