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Nackt und doch komfortabel bekleidet

Es bleiben noch eine Woche und drei Tage. Dann gilt es, Weihnachten zu feiern. Anschließend haben die meisten Wochenende. Spätestens dann lernen die ersten Tannenbäume das Fliegen und alles ist vorbei, das Fest ist abgefrühstückt. Bevor wir so weit kommen, wäre ein „Nachdenken“ hilfreich, wäre es hilfreich, sich neu zu vergewissern, was wir da eigentlich feiern. Genau bedacht ist nicht der Geburtstag Jesu Anlass für unser Weihnachtsfest, sondern das „Programm“ Jesu, genauer: dessen Geburtsstunde. Erst der reflektierende Blick der Christen in den ersten Jahrhunder- Nackt und doch komfortabel bekleidet von Pfarrer Christoph Stender Gedanken zum Sonntag ten auf das ganze Leben Jesu weckte das Interesse an dessen Anfang. Im vierten Jahrhundert kristallisierte sich die Geburt Jesu als Datum und Fest heraus. So gesehen feiern wir keinen Tag, wohl aber einen Einstieg in die „Ansichten“ Jesu. Wir haken mit Weihnachten nicht den Geburtstag Jesu feierlich ab. Vielmehr starten wir mit diesem Tag im eigenen Leben durch – zu mehr Lebensqualität im Licht des Lebens Jesu. Lebensqualität bedeutet hier nicht, dem eigenen Leben noch mehr an materiellem, gesellschaftlichem oder intellektuellem Lametta um den Hals zu hängen. Qualität bedeutet: nackt komfortabel gekleidet zu sein! Mit diesem Bild möchte ich nicht anzüglich erscheinen, sondern mit einem scheinbaren Gegensatz provozieren: dass nämlich ein „Mehr“ wahrzunehmen zur Folge haben kann, „weniger“ nötig zu haben. Schauen wir uns doch diese „Kleinigkeit“ genauer an: Der Sohn Gottes kommt nackt zur Welt, „wohlhabend“ bekleidet mit der Botschaft von Gott. Die Nacktheit des Kindes Jesus, seine Kleinheit und Zerbrechlichkeit schreit aber nicht nach prachtvoller Kleidung, Besitz oder Versicherungen und schult damit die Blicke derer, die sich der Nacktheit aussetzen. Der so geschulte Blick achtet immer mehr auf die Kleinigkeiten, wertschätzt das Zerbrechliche, beschäftigt sich mit dem Unscheinbaren im eigenen Leben und dem der Anderen. Dieses Achten auf Kleinheit, diese Wertschätzung des Unscheinbaren relativiert den Status von Macht, Besitz und Ansehen und ermöglicht so eine andere Lebensqualität. Deshalb ist die Menschwerdung Jesu aber nicht als Affront gegen das „Haben“ im Allgemeinen zu verstehen, sondern als Aufwertung der vielen Kleinigkeiten, die des Menschen Leben so reich machen können. So vieles von dem, was wir „haben“, machen sie überflüssig. Planen wir doch unterm Tannenbaum mit lieben Menschen, welche Kleinigkeiten die Beziehungen bereichern könnten, was dem Zusammenhalt im kommenden Jahr gut täte. Oder ganz persönlich: Legen wir ein Buch an, in dem wir nur die – angeblichen – Kleinigkeiten des Alltags sammeln. Am Ende einer Woche können wir sie dann erinnernd wertschätzen.

 

Erschienen  in: Katholische SonntagsZeitung für Deutschland, 13./14. Dezember 2014
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