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Trau dich, und dann traut einander zu!

Die zeitaufwendende Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe zwischen Zumutung und Herausforderung

Die Frage nach der Zukunft der Kirche in Deutschland und somit deren Konkretion bezogen auf die Lebensformen ihrer Gläubigen in Gemeinde (Gemeindeverbänden, Großgemeinden) und Kategorie (Studierendenseelsorge, Gefängnisseelsorge, Krankenhausseelsorge usw.) ist Thema!

Das wird deutlich im Austausch unter Gemeindemitgliedern, in der Fachliteratur, in regionalen Medien und immer auch bei denen, die sich – warum auch immer – gerne über die Kirche her machen wenn es um deren Zukunft geht, bzw. deren grundsätzliche Zukunftsfähigkeit.

Kerngeschäft Sakrament

Man muss auch kein Prophet sein, um heute erfahrungsbezogen feststellen zu können, dass Kirche in der Zukunft ihr Kern – geschäft vorhalten muss und sie darüber hinaus als personales Angebot daherkommen sollte, um nicht zu Sekten zu verfallen. Denn vereinfacht gesagt: Eine Bauchladenkirche, deren Angebote sich ausstrecken zwischen „was fändest du nett“ und „allem Möglichen“ wird noch mehr als Ganze uninteressant werden. Ebenso uninteressant ist die Darreichungsform einer Kirche, die aus der Nähe betrachtet gesichtslos bzw. blutleer ist.

Diese Konditionen Kerngeschäft und personales Angebot nicht vorhaltend, wird die Kirche auch weiter mit Sicherheit aus Unsicherheit heraus um ihre Existenz, und somit um ihr Selbstverständnis ringen. Denn Kernkompetenz und personale Präsenz sind Voraussetzungen dafür, dass sich in unserer Kirche zwischen Gott und den Mensch „Etwas“ ereignen, sich „Etwas“ bewegen kann, ohne dieses „Etwas“ hier festlegen zu wollen. Dieses „Etwas“, das sich ereignen kann, das bewegt und das hervor kommen lässt, ist wesentlicher Bestandteil von Kirche, weil es ihren „ungesicherten“ Lebensraum umrandet.

Kerngeschäft der Kirche sind auch und wesentlich die Sakramente, aber auch das personale Angebot, Menschen also, die sie „vorhalten“, denn ohne Mensch können die Sakramente nicht „funktionieren“. Diese Menschen müssen in ihren verschiedenen Ämtern, Funktionen und Aufgaben dieser sakramentalen Präsenz der Kirche ihr Gesicht geben. Sakrament ohne Gesichter sind keine Sakramente. Wagt man eine „Prognose“, die Feier der Sakramente betreffend und deren Empfänger, scheint es fast so weiter zu gehen wie bisher, zumindest ihre jeweilige „Bündelbarkeit“ betreffend:

Das Sakrament der Taufe wird durchaus auch zukünftig noch verstärkter in der Zusammenführung mehrerer Tauffamilien gespendet werden. Ebenso das Sakrament der Firmung und das der Erstkommunion. Das Weihesakrament unterliegt diesbezüglich weniger einer gemeindlichen Dynamik als mehr einer hierarchisch gesteuerten kirchenpolitischen. Das Sakrament der Krankensalbung ist auch weiterhin zentral auf die „Auge zu Auge“-Kommunikation angewiesen. Das Sakrament der Versöhnung (Beichte) wird in territorial ausgerichteten Gemeinden wie in der kategorialen Seelsorge auch weiterhin der Bedeutungslosigkeit anheimfallen, es sei denn, unsere Kirche würde wieder investieren (Menschen „investieren“) in die Beichte als Kernelement der Begleitung von Christinnen und Christen in deren Alltag. Das Sakrament der Trauung werden sich wohl auch absehbar  primär einzelne Paare spenden und weniger mehrere Paare in einem gemeinsamen Gottesdienst.

Dem Sakrament der Trauung, genauer deren Vorbereitung und Nachhaltigkeit gilt hier mein besonderes Interesse. Vorbereitung, eine Zeitinvestition An der Vorbereitung der Spendung des Sakramentes der Trauung und deren Feier selbst möchte ich verdeutlichen, wie we sentlich der Rückgriff auf die (religiöse) Biographie der primär Betroffenen sein kann, besser, wie wesentlich er sein sollte. Die Bedeutung der Biographie beziehe ich
nicht nur auf die aus der Vorbereitung heraus gestaltete Trauliturgie selbst, sondern schon in diesem Stadium der Beziehung auch auf das spätere gemeinsame eheliche und familiäre Miteinander.

Hinführend greife ich nun zurück auf einige der Vorbemerkungen (Praenotanda), die aufgeführt sind in der liturgischen Handreichung: Die Feier der Trauung in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes.[1]

Da ist nachzulesen: „Für eine angemessene Ehevorbereitung ist ausreichend Zeit erforderlich, über deren Notwendigkeit die Braut leute schon früh genug unterrichtet werden sollten“. Weiter wird ausgeführt: „Die Seelsorger sollen, von der Liebe Christi geleitet, die Brautleute empfangen und vor allem ihren Glauben fördern und nähren; denn das Sakrament der Ehe setzt den Glauben voraus und erforscht ihn.“ Weiter wird erwartet: „Bei der Vorbereitung sollen sich die Seelsorger bemühen, unter Berücksichtigung der Einstellung des Volkes bezüglich Ehe und Familie die gegenseitige und echte Liebe zwischen den Brautleuten im Licht des Glaubens dem Evangelium gemäß zu verkünden (…).“

Diese Anforderungen versuche ich auf das Brautpaar charakteristisch bezogen umzusetzen in einer besonderen (und auch zeitaufwändigeren) Vorbereitung einiger der für die Trauung signifikanten liturgischen
Elemente.

Doch zuvor ein Respekterweis an meine priesterlichen Kollegen in den Pfarrverbänden, die in der Regel mit wenig Vorbereitungszeit versuchen, weil mehr nicht geht, den Brautpaaren das Gefühl zu vermitteln, mit ihrem „einmaligen“ Anliegen der kirchlichen Trauung, „einmalig“ zu sein!

Ich habe in den letzten 16 Jahren als Hochschulpfarrer und den vergangenen drei Jahren als Mentor für Lehramtsstudierende der katholischen Theologie an der RWTH Aachen das Privileg gehabt, in die Vorbereitung der Feier des Ehesakramentes mit den jeweiligen Paaren gemeinsam besonders viel Zeit investieren zu können.

Schuldbekenntnis – bedingungslose Annahme

An den Anfang auch der Trauliturgie gehört nach Einführung und Begrüßung in der Liturgie das Schuldbekenntnis, das in das Kyrie hinein münden kann bzw. das Schuldbekenntnis, das in das Kyrie integriert ist.

Für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer, besonders jener, die Liturgie nur selten erleben, wirkt es bedrückend, wenn an diesem besonders frohen Fest der kirchlichen Eheschließung, der Gottesdienst schon zu Beginn mit dem Thema Schuld aufwartet.

Allerdings bedarf es meist nur weniger hinführender Worte zu Schuldbekenntnis und Kyrie, um die Relevanz dieses Abschnittes der Liturgie plausibel zu machen. Jeder der Anwesenden, nimmt er sich selber
ernst, weiß um die Tatsache, dass der Mensch begrenzt ist, Fehler machen kann und schuldig werden, ja sogar – theologisch formuliert – Sünde auf sich laden kann. Kein normal denkender Mensch wird in einem
solchen Gottesdienst von sich behaupten wollen, perfekt und fehlerlos da zu stehen.

Mit dieser Selbsterkenntnis ist es leichter nachvollziehbar, dass, wenn es im Sakrament der Trauung um die Existenz zweier Menschen geht, es notwendig auch um die Annahme des Starken und des Schwachen, Begrenztheit und Schuldfähigkeit gehen muss. Mit allen Fähigkeiten und Begrenztheiten im Gottesdienst vor Gott zu stehen bedeutet sich ganz ernst nehmen, verbunden mit der Bitte, dass Gott sich in diese Realität unseres Daseins hinein neigen möge, was ausgedrückt wird in dem liturgischen Ruf: „Kyrie eleison.“

Schuldbekenntnis – Biographie auch als Verletzungsgeschichte

Der Gedanke an die eigene persönliche Begrenztheit und Schuldfähigkeit wird in der Vorbereitung aufgegriffen durch das Brautpaar, in dem sie sich ihrer eigenen Verletzungsgeschichte vergewissern. Konkret wird das Paar motiviert, die Zeit ihres Zusammenseins unter der Perspektive Revue passieren zu lassen, wie sie auf dem Hintergrund subjektiver Wahrnehmung Verletzungen durch den jeweils anderen wahrgenommen haben. Das bedarf zuerst einer ganz persönlichen Reflexion, in der sie sich die Zeit gönnen, in die Biografie der bisherigen Gemeinsamkeiten zu schauen, um so Orte, Situationen und Ereignisse festzumachen, an denen die eigene Person durch den jeweils anderen verletzt, beleidigt oder/und gekränkt wurde.

Über diese jeweils subjektive Reflexion gilt es dann gemeinsam ins Gespräch zu kommen, um die Wahrnehmung auszutauschen und ggf. neu zu verorten. Es soll hier nicht primär um die Frage der Aufarbeitung gehen, sondern um Wahrnehmung und Annahme des anderen auch und gerade in seiner Verletzbarkeit.

Es versteht sich von selbst, dass ich als Priester, der die Trauung mit dem Brautpaar vorbereitet, in diesen Austausch nicht involviert bin, sondern lediglich dazu anrege und einlade und, wenn gewünscht, im Nachgang
Hilfen anbiete oder vermittle. Von vielen Brautpaaren habe ich die Rückmeldung erhalten, dass solch ein Austausch ein bisher erstmaliges Erlebnis war, da sie mitunter die geäußerte Verletzungsgeschichte des jeweils anderen
selbst sehr unterschiedlich wahrgenommen haben.

So wurde mir berichtet, ohne ins Detail zu gehen, dass der eine gemeint hatte, mit einem bestimmten Verhalten den anderen verletzt zu haben, dieser aber sich nicht einmal an das Ereignis als solches erinnern konnte.  Andererseits gab es die Erfahrung, dass Verletzungen von beiden sehr deutlich registriert wurden, allerdings damit auch das Gefühl, das die Aussprache über dieses Ereignis bisher noch nicht ausreichend geführt wurde, diese bisher allerdings auch von keinem der beiden Betroffenen eingefordert wurde.

Von fast allen Paaren wurde festgestellt, dass sie bisher so ausführlich über das Thema Verletzung in der Beziehung noch nie gesprochen hätten und diese Aussprache gerade mit Blick auf die anstehende Trauung für sie sehr klärend und stärkend gewesen sei.

Schuldbekenntnis – liturgische Konkretion

In diesem Schritt geht es nun darum, das Schuldbekenntnis, gegebenenfalls auch in unmittelbarer Verknüpfung mit dem Kyrie, auf dem Hintergrund des bisher Ausgetauschten zu gestalten. Selbstverständlich geht es nicht darum, im Gottesdienst an dieser Stelle die Gemeinde ausführlich und prägnant darüber zu informieren, wer wie viel Schuld wann und warum auf sich genommen hat. Es geht darum, diesen persönlichen Austausch in eine relativ neutrale Sprache zu übersetzen, die dann in der Liturgie z.B. mit dem Kyrie-Ruf verbunden werden kann.

Beispiel: Ein Paar brachte in ihrer konkreten Reflexion auf den Punkt, dass die Verletzungsgefahr bei ihnen immer dann besonders hoch war, wenn der Faktor Zeit in der Beziehung – aus welchen Gründen auch immer – vernachlässigt wurde, und somit eine gewisse Hektik und Unachtsamkeit entstanden war. Hektik und daraus resultierende Unachtsamkeit sind der Nährboden für Verletzungen. Übersetzt in liturgische Sprache kann das so lauten: „Du Gott des Lebens, du hast uns Lebenszeit anvertraut. Doch oft scheinen wir diese Lebenszeit gerade in unserer Beziehung, aber auch mit Blick auf die Menschen, die uns besonders am Herzen liegen, nicht in rechter Weise zu verteilen. Verzeih! Wir bitten dich, schenke uns liebendes Augenmaß für die geschenkte Zeit, dass wir uns vor Verletzungen schützen: Kyrie eleison.

So das Schuldbekenntnis im Gottesdienst wahrgenommen, lässt die Besucher erahnen, dass hier kein „Antragsformular“ vorgelesen wird, sondern der Text von einem persönlichen Akzent bestimmt ist. Auf der „anderen
Seite“ hört das Brautpaar hinter den so formulierten Worten den ganz persönlichen Austausch zu ihrer Verletzungsgeschichte mit.

Wortverkündigung – Glaubensnahrung

Im Wortgottesdienst der Trauliturgie wird der Hochzeitsgesellschaft der Tisch des Wortes Gottes bereitet. Das Brautpaar und die Ihren sind versammelt als eine hörende Gemeinschaft, die mit dem Brautpaar und auf das Paar hin hineinhorcht in die Offenbarung Gottes, präsent in den selbstredenden Schriften des Neuen und Alten Testamentes. So stellt sich besonders das Paar, bevor es sich das Ja-Wort gibt, in die Hörertradition der christlichen Gemeinschaft, um im Hören des Wortes Gottes, Gottes Wort im Menschenwort, sich von dieser Gegenwart Gottes berühren, aufrichten und ausrichten zu lassen.

Glauben in Beziehung

In der Vorbereitungsphase des Traugottesdienstes bitte ich das Brautpaar, bei der Auswahl der Lesungstexte und des Evangeliums nicht in erster Linie darauf zu achten, welche Texte vordergründig klassisch zum Anlass passen könnten, wie Perikopen die z. B. Themen wie Liebe, Gemeinschaft und Treue aufgreifen. Vielmehr bitte ich das Paar, erst einmal selber in den Austausch darüber zu gehen, was ihnen ihr Glaube bedeutet, welche Relevanz er für den je eigenen Alltag hat und in welcher Tradition dieser Glaube in der eigenen Biografie gewachsen oder vielleicht auch geschrumpft ist.

Diese Einladung, über den eigenen Glauben ins Gespräch zu kommen, klingt vordergründig banal, da man davon ausgeht, dass Paare, die die kirchliche Trauung anstreben, über genau diesen Punkt sich schon längst  ausgetauscht haben. Allerdings stimmt diese Annahme grundsätzlich nicht wirklich, denn es ist nicht selten der Fall, dass Paare oft unausgesprochen zu wissen meinen, was der jeweils andere Partner glaubt bzw. was dieser
Glaube ihm bedeutet. Ich beobachte bei fast allen Paaren, dass es ihnen schwer fällt, konkret über den eigenen Glauben zu sprechen, besonders auch über die eigene Glaubensbiografie, weil sie es ohnehin nicht nur nicht mit ihrem Partner, sondern auch mit anderen Menschen nicht gewohnt sind.

Glaube wird oft der Intimsphäre zugeordnet, den man deshalb so ohne Weiteres nicht öffentlich macht und somit sich auch schützt vor möglicher Sprachlosigkeit in der Rechtfertigung des eigenen Glaubens.

Wortstark

Auf dem Hintergrund dieses Austausches lade ich das Paar ein, anhand der Teilüberschriften in der Einheitsübersetzung der Bibel nachzuschauen, welcher Text Ausdruck des gemeinsamen Glaubens sein könnte, um diesem dann konkreter gemeinsam nachzugehen. Gemeinsamkeit dessen, was das Paar glaubt und in Texten zum Ausdruck bringt, bedeutet nicht automatisch, dass nur Glaubenssicherheiten angesprochen werden dürfen, sondern biblische Texte sprechen ja auch von Glaubensfragen, Glaubenszweifeln und von der Suche im Glauben.

Die auf diesem Hintergrund gefundenen Texte werden dann zur Lesung aus dem Alten und Neuen Testament bzw. zum Evangelium.

Fürbitten – die feiernde Gemeinde weitet den Blick

Die Fürbitten im Gottesdienst weiten den Blick der gemeinsam Feiernden über sich selbst hinaus und empfehlen Gott ihre persönlichen Anliegen und Hoffnungen. So dreht sich das Fürbittgebet nicht nur um die versammelte Gemeinde, sondern dieses Gebet richtet den Blick der Gemeinde auch auf die Sorgen und Nöte in dieser Welt, trägt sie vor Gott in der Hoffnung, dass die Gemeinde, gestärkt durch Gott, mit Gottes Hilfe auch dazu beiträgt,  Missstände auszumerzen.

Lebensentwurf und Visionen

Während der Text des Schuldbekenntnisses aufruhte auf dem sehr persönlichen Austausch des Paares über die gemeinsame Verletzungsgeschichte, und die Lesung und das Evangelium auf dem, was das Paar im Glauben verbindet, so geht es nun in den Fürbitten um den Lebensentwurf und die Vision des Paares.

Das Brautpaar ist hier eingeladen, nochmals, da sicherlich schon geschehen, sich über seine Zukunftsgestaltung auszutauschen, ja vielleicht sogar Visionen zuzulassen bezogen auf sein gemeinschaftliches und familiäres Leben, aber auch mit Blick auf die gesellschaftlichen Kontexte in denen es lebt. Gerade auf die Gesellschaft bezogen greifen hier Fragen wie: Was wollen wir verändern, was wollen wir bestärken, was wollen wir neu ermöglichen, wo wollen wir unterstützend tätig sein, wo wollen wir auch gegen den Strom der Zeit schwimmen und wo wollen wir vielleicht Protest einlegen?

Bitten, der andere Blickwinkel

Diese Überlegungen werden dann in die Form der Fürbitte gegossen. Manche Brautpaare fragen bezogen auf die gesamte Liturgie, ob man nicht auch persönliche Symbole und Zeichen einbringen könne. Gerade bei den Fürbitten bietet sich eine solche Verwendung von Zeichen und Symbolen an.

So wurden die Fürbitten in einem Traugottesdienst wie folgt gestaltet:

Verbunden mit dem Dank für den eigenen Arbeitsplatz (das Paar ist in der Computerbranche tätig) formulierten die beiden mit der Bitte ihre Sorge um die erwerbslosen Mitmenschen in unserer Gesellschaft und verband sie mit der Hoffnung, sie mögen eine wirkliche Perspektive erhalten. Diese Bitte ausgesprochen, legte das Paar dann eine Computermaus auf den Altar, um Dank und Bitte optisch zu verstärken. Verbunden mit dem Dank, bisher im Leben Gerechtigkeit erfahren zu haben, brachte die Fürbitte zum Ausdruck, mehr Gerechtigkeit in dieser Welt zu erbeten, besonders die Stärkung der Armen und Unterdrückten. Mit dieser Bitte verbunden legte das Paar eine Handwaage auf den Altar, die Brauteltern waren Juristen, um mit diesem Zeichen Dank und Bitte zu verstärken. Die folgende Bitte galt den Verstorbenen. Das Brautpaar dankte für das Geschenk ihres Lebens und gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Verstorbenen nicht tiefer fallen mögen als in die Hand Gottes. Mit dieser Bitte verbunden brachte das Brautpaar einen Hut und legte ihn auf den Altar. Der Hut war das Markenzeichen des Brautvaters, der nur wenige Wochen zuvor an einer schweren Krankheit verstorben war. Eine weitere Bitte galt der Kirche, in besonderer Weise ihrer die Gemeinschaft stärkenden Struktur, die von dem Dank des Paares begleitet war, selbst zu dieser Kirche gehören zu dürfen. Mit dieser Bitte verbunden brachte das Brautpaar die Gaben Brot und Wein zum Altar. Darauf folgte die Einladung in der nun folgenden Kollekte eine Gabe für ein Kinderheim in der unmittelbaren Umgebung des Feierortes zu geben, das von der katholischen Kirche unterhalten in besonderer Weise sich um Kinder kümmert, die gesellschaftlich an den Rand gedrängt waren.

Sexuelle Kommunikation

In der Situation, in der die Trauung im Rahmen eines Gottesdienstes mit Eucharistiefeier stattfindet, rege ich noch eine weitergehende Frage an, deren Befassung allerdings in keinem Element der Liturgie einen expliziten Ausdruck findet.

Hintergrund der Frage: Die Eucharistiefeier ist die dichteste Form der Kommunikation zwischen Gott und den Menschen, sich offenbarend in der eucharistischen Gegenwart Jesu Christi kraft göttlichen Geistes. Die Kommunikation mit Gott kennt in der Glaubenspraxis unterschiedliche Verdichtungen. Kommunikation unterschiedlicher Dichte spielt ja in jeder Beziehung eine wichtige Rolle und so selbstverständlich auch in der Ehe.

Die Frage: „Was möchten Sie durch die Kommunikation ihrer gemeinsam gestalteten Sexualität einander sagen, was bedeutet Ihnen Sexualität und was wollen Sie in ihrer gemeinsamen Sexualität existentiell zum Ausdruck bringen?”

So manches Paar überraschte diese Frage. Doch im Nachhinein war jedes der Paare dankbar, genau in diesem Kontext sich unter vier Augen auch auf diese Fragestellung nach der eigenen und der gemeinschaftlich gestalteten und erlebten Sexualität eingelassen zu haben.

So begleiten auch aktuell die Paare, die ich auf das Sakrament ihrer Trauung vorbereiten darf diese konkreten Fragen: die nach der Verletzungsgeschichte, die nach dem Kern des eigenen und gemeinsamen Glaubens, die
nach der Vision für die Gesellschaft und die nach der Botschaft in einer gemeinsam gestalteten und erlebten Sexualität.

Trau dich, und dann traut einander zu

In dieser Art der Begleitung zukünftiger Ehepaare geht es also nicht nur um die Gestaltung des Traugottesdienstes auf dem Hintergrund der Reflexion der Kernpunkte partnerschaftlicher Beziehung. Es geht darüber hinaus auch um die Wahrnehmung der existentiellen Vernetzung von alltäglich gemeinschaftlich gelebten Leben, in das hinein der Glaube und seine Ausdrucksformen integral gehören.

Glaube ist und wird auch zukünftig im Ehealltag existentiell nicht einfach nur etwas sein können, das zum „normalen” Leben wie ein Anhänger gehört, den man beliebig ein- und ausklinken kann.

Gerade in der ehelichen und später auch, wenn möglich, familiären Gemeinschaft, an deren Beginn die kirchlichen Trauung zum Ausdruck bringt, auf einem christlich-kirchlich orientierten Fundament stehen zu wollen, ist das Verwobensein von „aus dem Glauben leben“ und „auf den Glauben hin leben“ existentiell.

Somit sind das Element Reflexion und das Fragment der Vision praxisrelevant in der Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe.

 

Anmerkungen:
1 Die Feier der Trauung in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes. Heraus gegeben im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie der Bischöfe von Bozen-Brixen. Freiburg i. Br. 1992, S. 14f.

Erschienen in: Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, Berlin, Essen, Hildesheim, Köln, Osnabrück. J.P. Bachem Verlag GmbH. 1/2013, S. 7ff.
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