Faxbox-Predigt zum 3. Fastensonntag (26.03.2000)
Es regiert die Gier – und nichts anderes! So könnten wir den Vorwurf Jesu in einem Satz zusammenfassen, der ihn veranlasst im Tempel handgreiflich zu werden. Solch ein Verhalten sind wir von Jesus überhaupt nicht gewöhnt.
Der sonst so sanftmütig wirkende Jesus schmeißt im Tempel Tische um, das Geld der Wechselstuben fliegt durch den Vorhof des Tempels und an den Händlern lässt Jesus auch kein gutes Haar. Was bringt ihn eigentlich so in Rage? Es regiert die Gier und nichts anderes, das bringt ihn auf die Palme! Hier werden Geschäfte gemacht, profitabel verkauft, Gebühren erhoben, Käufer über`s Ohr gehauen und zu allem Überfluss, so das religiöse Empfinden der Tempelbesucher ausgebeutet. Da macht Jesus Nägel mit Köpfen und schmeißt alle raus, die an diesem Ort des Gebetes und so der Gottesbegegnung nicht zu suchen haben.
Hat Jesus etwas gegen Erwerbstätigkeit? Ist er sauer, weil seine Zeitgenossen Geld verdienen wollen um ihre Familien zu ernähren? Sicherlich hat Jesus etwas gegen Ausbeutung und Wucher aber nichts gegen einen seriösen Gelderwerb. Jedoch alles zu seiner Zeit und besonders an angemessenem Ort und aus ehrlichen Motiven! Das ist hier seine konkrete Kritik: Die Leute kommen, um zu beten und ihre Opfergaben zu bringen, aber nicht, um zu handeln, der Tempel ist ein Haus Gottes und keine Markthalle und die Motive sind auch nicht lauter, da ein religiöses Gebot, Opfertiere darzubringen, zum Gelderwerb missbraucht wird! So geht es also nicht ergo: Raus mit alle dem, was hier nicht hingehört.
Mit dieser Tempelreinigung entfernt Jesus von diesem heiligen Ort alles, was den eigentlichen Sinn dieser Stätte verstellt und somit missachtet. Der Tempel ist einzig und allein ein Ort der Gottesbegegnung! Nochmals, Jesus ist nicht gegen einen menschenwürdigen Gelderwerb um angemessen leben zu können, sondern Jesus ist gegen die Entfremdung und Materialisierung des Tempelbezirkes, die ihn profanisiert.
Betrifft dieses Evangelium nun nur diejenigen Pfarrer, Kirchenvorstände und Gruppen, die in den Vorräumen unserer Kirchen Postkarten und Kunstführer, kleinere erbauliche Schriften oder Bazarartikel anbieten? Wenn das so wäre, könnte schnell Abhilfe geschaffen werden.
Wenn das Evangelium des heutigen Tages nicht eins zu eins übersetzt werden will, dann darf es eben nicht so enggeführt werden, sonder es bietet sich von selbst an übertragen zu werden auf Situationen menschlichen Lebens, in denen etwas wesentliches entfremdet und vermaterialisiert wird.
Es regiert die Gier – und nichts anderes! So kann die Kritik, die Jesus in diesem Evangelium zum Ausdruck bringt, zusammengefasst werden.
Es regiert die Gier – und nichts anderes, diese Worte stammen aber aus einem ganz anderen Mund! Wenn wir nun erfahren, dass jener, der diese Worte in der hinter uns liegenden Woche gesagt hat, von Beruf Börsenchef des zweitgrößten Fondsverwalters in Deutschland ist, so mag das doch sehr erstaunen und im Vergleich mit der Profession Jesu eigentlich unmöglich klingen.
Aber es ist so! Was ist der Hintergrund einer so entlarvenden Aussage? Deutschland ist bei Groß- wie bei Kleineinlegern im Aktienrausch, Tendenz steigend. Hielten bis vor wenigen Wochen zum Beispiel noch die meisten Deutschen “Infenion” für ein Desinfektionsmittel oder ein was auch immer steigernde Pille, so wissen heute die meisten, dass es sich um eine Aktie handelt. Aber nicht nur dieser Börsengang eines Halbleiterherstellers, der größte seit dem Börsengang der Telekom, motivierte zu diesem Ausspruch von der Gier heutiger Menschen, sondern die Tatsache, dass Aktienrausch, Anlagerausch, Fusionsrausch oder einfacher gesagt Geldrausch an Goldgräberzeiten offenbar nicht vergangener Tage erinnert.
Über fünf Millionen Bürgerrinnen und Bürger unseres Landes besitzen Aktien, so viele wie noch nie, und so hoch wie noch nie, nämlich im Wert von über 500 Milliarden Mark. Mit Aktien zocken ist angesagt, ” machen sie jetzt ihre erste Millionen”, so der Aufruf eines Geldinstitutes, “nichts ist unmöglich” die neue Aktiendeviese und immer frisch nach dem Motto: “Wenn schon die Großen fusionieren wie blöd, dann wollen wir auch mitverdienen, natürlich wie blöd!
Eine große überregionale Tageszeitung scheint Recht zu haben wenn sie titelt: “Ein Volk verfällt dem Börsenwahn”.
Ja aber was hat das denn mit unserem Evangelium zu tun? Hier wird doch nicht in Kirchen gezockt! Der Lockruf der Börse schallt doch nicht von unseren Kanzeln und wer lobsingt im Gottesdienst schon auf “Puts”,”Calls”,den Dax oder Nemax ? Das hat doch alles nichts mit unserem Glauben zu tun! Hier wird kein Ort entweiht und kein Gebot entfremdet, verzweckt oder missbraucht. Kirche und Glaube, das ist eine andere Welt!
Ja, das mag ja alles so sein, aber diese Welt der Gottesbeziehung, die Bedeutung des Glaubens und der Wert von Gemeinde und Gemeinschft wird in den Schatten gestellt von Banken, Börsen und Industriegiganten und das im doppelten Sinn!
Die Zentralen der Banken, die Top-Nachrichten der Börsen und die Verwaltungsbauten der Industrie stehen wie mahnende Zeigefinger in unserer urbanen Landschaft und nehmen für sich in Anspruch Qualitätssiegel für ein gelungenes Leben zu sein. Die machen schließlich den Weg frei zu einem gelungenen Leben! Wer da anders denkt ist out, weltfremd und obendrein noch ebensuntüchtig. Gegen solche Werteriesen sind unsere Kirchtürme doch nur lächerlich, wenn man sie überhaupt noch sehen kann!
Im Schatten steht aber auch immer mehr der Mensch an sich! Selbst die börsenkundige Stimme macht uns klar: “Euch regiert die Gier”! Das sind nicht einmal die Worte Jesu, sondern das sagt jemand, der an dieser Gier eigentlich verdient, aber selbst ihm ist dieses Verhalten vieler Zeitgenossen unheimlich und äußerst fragwürdig.
Logischerweise kommt nun der moralische Zeigefinger für diejenigen von uns, die mit Aktien spekulieren, an Fonds beteiligt sind oder auf andere Weise ihr Geld sinnlos mehren:
Meinen sie nicht auch, dass das auf Dauer nicht gutgehen kann und würde es gut gehen, wie wollen sie das vor Ihrem christlichen Gewissen verantworten?
Nein, lassen wir den moralischen Zeigefinger ruhig in der Tasche, denn hier eine differenzierte Analyse und eine qualifizierte Einschätzung abzugeben in Sachen Geld und Moral, dazu ist die Materie viel zu komplex und eine Beurteilung ein Hüftschuss, zumindest im Rahmen einer Predigt.
Aber eigentlich reicht doch diese Frage aus religiös nicht berufenem Munde vollkommen aus: Regiert dich die Gier? Welche Antwort habe ich auf diese Anfrage?
Darüber hinaus, ungeachtet welche Antwort ich mir auf diese erste Frage gebe -und das betrifft nicht nur Börsianer -, wäre ja auch noch eine andere Frage in diesem Kontext interessant: Wenn ich denn schon zu den “Gewinnern” gehöre oder gehören sollte, wen habe ich vor daran teilhaben zu lassen oder bin ich nicht doch einfach nur gierig? Um diese Fragen ehrlich zu beantworten, müssen wir uns schon ein wenig Zeit gönnen und das bedeutet, wir müssen diese Fragen mit nach Hause nehmen, wenn wir sie wirklich beantworten wollen. Dazu lädt uns das heutige Evangelium ein, auch wenn wir keine Aktienhalter sind.
Unabhängig dieser Fragen und der möglichen Antworten bleibt eines gewiss: Je mehr wir auf die Paläste des Geldes und in ihnen spekulieren, auf Gewinne und nochmals Gewinne, um so mehr rücken wir andere Menschen in die vielfältigen Schatten der Armut, Arbeitslosigkeit und sozialen Benachteiligung. Denn den Preis des Reicherwerdens der einen zahlen die anderen mit der Armut der Verlierer, das ist System, das System des Reichtums. In diesem Fall ist aber auch klar, auf welcher Seite Jesus steht, auf der Seite der Verlierer. Dieses Engagement zieht Jesus eindeutig vor und erhebt von sich den Anspruch der richtige Weg zu sein. Christen werden daran identifiziert, ob sie den Weg dessen beschreiten, nach dem sie sich ihren Namen gaben und geben. Dieses Evangelium ist wieder einmal die Provokation, vor die uns Jesus zielsicher stellt: Farbe bekennen!
Diese Ansprache erschien als Faxbox-Predigt des Bergmoser + Höller Verlags.